31st international LAUD Symposium
Voßkamp, Patrick (2006)
31st International LAUD Symposium Intercultural Pragmatics: Linguistic, Social, and Cognitive Approaches.
“On the road to world-wide understanding”: Intercultural Pragmatics – linguistic, social and cognitive approaches – so das Thema des 31st LAUD Symposiums, das vom 27. bis 30. März 2006 auf Einladung von Prof. Dr. Martin Pütz (Universität Koblenz-Landau) stattfand.
Rund 100 LinguistInnen aus mehr als 25 Nationen machten sich, in jedem
Sinne dem Thema der Tagung folgend, auf den Weg und Landau/Pfalz zu
einem Zentrum der noch jungen Forschungsdisziplin „Interkulturelle
Pragmatik“.
Im Zuge der Globalisierung geht es diesem Zweig der Linguistik nicht
mehr nur darum, monolingualen und monokulturellen Sprachgebrauch zu
betrachten und zu analysieren. Vielmehr wird die Frage gestellt, wie
soziale Interaktion zwischen Sprechern aus unterschiedlichen Sprach- und
Kulturräumen sowie mit verschiedenen Erstsprachen gelingt/gelingen kann
bzw. welchen Beitrag die Linguistik aus linguistisch-pragmatischer,
interkultureller und fremdsprachendidaktischer Perspektive leisten kann, damit multilinguale und multikulturelle Kommunikation glückt.
Dabei
thematisierten die Tagungsteilnehmer in Landau auch die Frage, welche
Rolle dabei dem Englischen als lingua franca zukommt. In diesem
Zusammenhang ging es unter anderem um den Fremdspracherwerb: Denn dieser
müsse, so die Forderung, mehr umfassen als das Erlernen von Vokabeln
und Grammatik. Erst wenn der Erwerb einer Fremdsprache auch
interkulturelle Kompetenzen umfasse, könne der Weg zu weltweitem
Verstehen eingeschlagen und erfolgreich beschritten werden.
Warum
also nicht die Stellung des Englischen als lingua franca weiter
festigen und ausbauen? Wäre es nicht das Einfachste, man lernte diese
Sprache, und die weltweite Verständigung wäre gewährleistet? Oder sind
mit einer Dominanz des Englischen auch Probleme verbunden; etwa wenn wir
daran denken, dass „English itself carries with it a great deal of
cultural baggage“, wie es Anna Wierzbicka
(Australian National University) formulierte? Doch welche Möglichkeiten
und Methoden existieren, um diese Probleme zu erkennen und daran
anschließend auch zu lösen?
Diesen
Fragen widmeten sich über 70 Vorträge in vier Sektionen – I.
Text-linguistic dimensions of intercultural pragmatics; II.
Social/anthropological dimensions of intercultural pragmatics; III.
Cognitive-linguistic dimensions of intercultural pragmatics; IV.
Interlanguage pragmatics and bilingualism - mit dem Ziel, das
Verständnis für interkulturelle Kompetenz zu fördern und dabei die
Ergebnisse der Forschungen der theoretischen und angewandten Pragmatik
ebenso mit einzubeziehen wie Erkenntnisse der Nachbardisziplinen
Philosophie, Kommunikationswissenschaft, Psychologie, Soziologie,
Anthropologie, kognitive Linguistik, Zweitspracherwerb und
Bilingualismus.
Doch
noch einmal zurück zum Englischen und der Formulierung „cultural
baggage“. Aufgrund dieser Fracht, die das Englische mit sich trage, so
Wierzbicka, sei es nicht geeignet, die Normen und Werte, die Sprecher
aus unterschiedlichen Kulturen und unterschiedlichen Erstsprachen in
ihre gemeinsame Kommunikation mit einbringen, zu thematisieren.
Schließlich flössen durch das Englische wiederum eigene Normen und
kulturelle Werte mit in die Interaktion ein. Dies, so die These, führe
schließlich unvermeidlich zu einer anglozentrischen Perspektive. Durch
NSM English (Natural semantic metalanguage), eine auf semantischen
„Primitiven“ beruhende, angeblich einzelsprachenneutrale Hilfssprache,
könne das vermieden werden. Durch NSM English sei es möglich,
unterschiedliche kommunikative Normen und kulturelle Werte zu
beschreiben und zu vergleichen – ohne die ansonsten der interkulturellen
Kommunikation inhärente anglozentrische Sicht.
Dass
man im Zusammenhang mit den Beschreibungsmethoden deutlich
unterschiedliche Wege einschlagen kann, machte der Beitrag von Dirk
Geeraerts und Gitte Kristiansen (University of Leuven & Universidad
Complutense de Madrid), auch als Replik auf Wierzbickas Arbeiten zu
verstehen, deutlich, der in einer kontroversen Debatte endete.
Geeraerts
und Kristiansen nehmen in ihren Arbeiten NSM-basierte Analysen
lediglich als Ausgangspunkt und fordern dabei für fundierte Aussagen im
Bereich der interkulturellen Kommunikation Verfeinerungen in
methodologischer, deskriptiver und theoretischer Sicht. Diese
Verfeinerungen müssten etwa berücksichtigen, dass es auch innerhalb
einer Sprache Variationen gibt, denen bis dato in Arbeiten zu NSM nicht
hinreichend Rechnung getragen worden sei. Die von ihnen konstatierten
Mängel der bisherigen NSM Arbeiten sollen mithilfe einer korpusbasierten
Analyse behoben werden.
Jan
Blommaert (University of Ghent) beleuchtete in seinem Vortrag „From
Fieldnotes to Grammar“ aus anthropologischer Sicht die historische
Dimension der interkulturellen Pragmatik am Beispiel der „Entdeckung“
und Beschreibung afrikanischer Sprachen, deren Erforschung mithilfe der
deskriptiven Linguistik zu einer „kolonialen Enteignung“ der
afrikanischen Sprachen geführt habe.
Peter
Grundy (Northumbria University, Newcastle) beschäftigte sich in seinem
Plenarvortrag mit den Zusammenhängen des Erlernens einer lingua franca
und den dafür geeigneten
fremdsprachendidaktischen Methoden. Hier forderte er einen radikalen
Paradigmenwechsel, weg vom „learn-in-order-to-use“-Ansatz. Vielmehr
müssten Fremdsprachendidaktiker den realen Sprachgebrauch und dabei auch
den permanenten Wandel einer Sprache berücksichtigen. Denn die Sprecher
einer lingua franca würden keine sich an „native speaker/native
varieties“ orientierenden phonologischen und pragmatischen Strukturen
verwenden. Kurzum: statt länger Stunden auf die korrekte Aussprache des
„th“ zu verwenden, solle die Kommunikation im Vordergrund stehen:
„use-in-order-to-learn“.
Jacob
L. Mey (University of Southern Denmark, Odense) thematisierte in seinem
Vortrag das Wechselspiel von Kultur und Sprache. Mit Blick auf die
Entwicklungen etwa in Frankreich, Deutschland und den USA – in allen
Ländern gibt es Debatten um die Integration von Immigranten, die in
Schlagwörtern wie ‚Kopftuchdebatte’, ‚Leitkultur’ oder ‚English only’
umrissen werden können -fragte er danach, welche Kultur die dominante
sein soll, ob andere Kulturen respektiert, toleriert oder gefördert
werden sollten oder welche Folgen Assimilation vs. Integration bringen –
was schließlich zu der Frage führte, welche Sprache Immigranten
sprechen oder lernen sollten.
Istvan
Kecskes (State University of New York) stellte Überlegungen an, weshalb
es in der interkulturellen Kommunikation häufig zu Missverständnissen
komme. Als Ursache für dieses Problem stellte er fest, dass ein Großteil
der täglichen Konversation aus feststehenden, formalisierten Einheiten
und Redewendungen bestehe. Hier stelle sich die Frage, wie sich diese
Tatsache auf Gespräche zwischen Sprechern mit unterschiedlichen
Erstsprachen auswirkt,
in deren jeweiliger Sprachgemeinschaft die feststehenden Wendungen
problemlos verstanden werden könnten, dies aber bei differierendem
Wissens- und Erfahrungshintergrund eben nicht funktioniert. Hier müsse
der Blick auf das Wechselspiel von sprachlicher Kreativität und
Konventionen ebenso wie auf die Prozesse des Dekodierens und das Ziehen
von Rückschlüssen innerhalb der interkulturellen Kommunikation gelenkt
werden.
Laurence R. Horn (Yale University) wollte
mit seinem Vortrag “Toward a Fregean Pragmatics: Voraussetzung,
Nebengedanke, Andeutung” Frege zu neuer Geltung verhelfen, da die
Bedeutung seiner Studien nicht genügend anerkannt sei. Horn arbeitete
anhand des von Frege verwendeten Terminus ‚Andeutung’ heraus, dass es
sich dabei um einen direkten Vorläufer der Grice’schen
Konversationsmaximen handle.
Je
kürzer die Frage, desto komplexer die Thematik. Diese Feststellung
lässt sich mit Blick auf den Vortag des keynote speakers John R. Searle
(University of California, Berkeley) treffen:
„What is language?“ Searles Anliegen ist es, sprachphilosophischen
Arbeiten ein naturalistisches Konzept zur Seite zu stellen. Ein Konzept,
das Sprache als ein Produkt evolutionärer Prozesse sieht und somit den
Schwerpunkt auf biologische und mentale Prozesse legt. Betrachte man
Sprache auf diese Weise, könne man Ergebnisse erhalten, die über die
traditionelle Sichtweise auf Sprache – dass diese aus Syntax, Semantik
und Phonologie bestehe – hinausführten. So könne herausgearbeitet
werden, wie Sprache die Grundlage für das Zusammenleben der menschlichen
Gesellschaft und sozialer Institutionen bilde.